Diakonie Mark-Ruhr
Diakonie

Wie Schulabbrecher Karriere machen


Hagen. Der Arbeitsmarkt ist für Jugendliche ohne Schulabschluss extrem hart. Eine Ausbildung zu finden, ist oft sehr schwer und durch die Corona-Pandemie sinken die Chancen weiter. Diakonische Träger halten mit außerbetrieblichen Ausbildungsprogrammen dagegen. Dabei entstehen oft beeindruckende Erfolgsgeschichten. Wie bei der Arbeit-Leben-Zukunft GmbH, einer Tochtergesellschaft der Diakonie Mark-Ruhr.

Als Janina volljährig wurde, sah ihre Zukunft nicht gerade rosig aus. "Ich bin nie gerne in die Schule gegangen", sagt die Hagenerin. Das Lernen fiel ihr schwer, sie schwänzte häufig den Unterricht und stand dann mit 18 Jahren ohne Schulabschluss da: Eine Situation, die viele Jugendliche in die Sackgasse der Arbeitslosigkeit führt. Doch Janina hatte Glück. Sie bekam die Chance, eine außerbetriebliche Ausbildung (BaE) bei der Bildungsfirma Arbeit-Leben-Zukunft (ALZ) zu machen. Zunächst hatte die junge Frau die Möglichkeit zu einem einwöchigen Praktikum bei einem Kooperationsbetrieb der ALZ. "Ich hatte nie daran gedacht, Friseurin zu werden. Aber schon nach zwei Tagen Praktikum wusste ich, dass ich das machen will", erzählt die heute 21-Jährige.

Knapp drei Jahre später steht Janina nun kurz vor ihrer Gesellenprüfung als Friseurin: "Alleine hätte ich es nie so weit gebracht". Zusätzlich zur Berufsschule erhielt sie an einem Nachmittag pro Woche Förderunterricht bei der Jugendhilfe. Hinzu kam ein intensives Einzelcoaching, wann immer Janina es brauchte. "Darum beneiden mich andere Azubis", weiß Janina.

Annette Jeschak, Geschäftsführerin der Arbeit-Leben-Zukunft (ALZ) GmbH, einer Tochtergesellschaft der Diakonie Mark-Ruhr kennt viele solcher ermutigenden Geschichten. "Unsere Erfolgsquote ist hoch." Rund 85 Prozent der Jugendlichen, die bei der Jugendhilfe eine außerbetriebliche Ausbildung machen, bestehen ihre Abschlussprüfungen. "Ein bis zwei Jahre nach Beendigung der Ausbildung haben 90 Prozent einen festen Job", sagt Jeschak.

Auch die Evangelische Jugendhilfe Schweicheln macht als Träger der kooperativen außerbetrieblichen Ausbildung ähnlich gute Erfahrungen. "Mehr als 80 Prozent der Azubis absolvieren am Ende erfolgreich ihre Prüfungen im ersten Anlauf, alle anderen schaffen es im zweiten Anlauf", sagt Bereichsleiter Christian Klöpper.

Und das, obwohl die Voraussetzungen vieler Jugendlicher denkbar schlecht sind, wenn sie in die außerbetriebliche Ausbildung starten. "Viele haben eine problematische Schulbiografie", betont Jeschak. Oft haben sie ? so wie Janina ? keinen Schulabschluss. Häufig kommen auch Sprachschwierigkeiten hinzu. "Andere haben durchaus einen qualifizierten Schulabschluss, psychische Besonderheiten verstellen aber den Zugang zu einer tragfähigen Anschlussperspektive."

Die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter weisen die Teilnehmenden des Programms den Trägern zu. Zu Beginn werden sie zu einem ersten Gespräch mit den Sozialarbeitern der Jugendhilfe und ? falls es schon einen Berufswunsch gibt ? mit den Lehrkräften eingeladen. Anschließend wird ein Kooperationsbetrieb gesucht. Einige der Jugendlichen haben bereits Kontakt zu einem Betrieb, der bereit ist, diese Rolle zu übernehmen. Das Besondere bei der Ausbildung: Die Azubis sind nicht bei den Unternehmen angestellt. Den Ausbildungsvertrag schließen sie stattdessen mit dem Träger ab. Der Kooperationsbetrieb übernimmt die fachpraktische Ausbildung.

Die Arbeit-Leben-Zukunft GmbH bildet derzeit 112 Azubis in unterschiedlichen Berufen aus. Neben Friseur-Lehrlingen sind unter den Azubis angehende Hauswirtschafter, Industriemechanikerinnen, Köche, Landschaftsgärtner, Mediengestalterinnen, Verwaltungsangestellte, Verkäufer oder Logistik-Facharbeiterinnen. Die Jugendlichen bekommen bei der außerbetrieblichen Ausbildung intensiven Förderunterricht in Gruppen oder teilweise auch einzeln. Besonders unterstützt werden sie vor den Prüfungen. Hinzu kommt die sozialpädagogische Betreuung. "Wir vermitteln zum Beispiel, wenn es Schwierigkeiten im Betrieb gibt", sagt Jeschak. Bei privaten oder persönlichen Problemen der Jugendlichen, bieten die Sozialpädagogen Hausbesuche oder Einzelgespräche an. Teilweise werde auch an entsprechende Beratungsstellen weitervermittelt.

Annette Jeschak erlebt immer wieder, dass sich dieser Einsatz für die Jugendlichen lohnt. "Manchmal ist es wie ein kleines Wunder." Da sei etwa der junge Mann aus einem schwierigen Elternhaus, der teilweise im Heim aufwuchs und ohne Schulabschluss von der Förderschule kam. Bei der Arbeit-Leben-Zukunft absolvierte er erfolgreich eine Ausbildung zum Friseur. Später machte er sogar noch seinen Meister. "Heute hat er ein florierendes Friseurgeschäft", erzählt Jeschak.

Viele Jugendliche, die in ihrer Schullaufbahn nur Misserfolge hatten, entwickelten in der Ausbildung auch erstaunliche Willenskraft, beobachtet die Geschäftsführerin der Arbeit-Leben-Zukunft GmbH. Da sei etwa die schwangere Auszubildende, die ihre theoretische Prüfung zur Köchin unbedingt noch vor der Geburt ihres Kindes schaffen wollte. "Sie fuhr dann gleich nach der Prüfung in den Kreißsaal. Nur wenige Wochen nach der Geburt schaffte sie dann auch noch ihre praktische Prüfung."

Die kooperative BaE ist nur eine von mehreren Möglichkeiten für Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, auf dem ersten Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen. Die Evangelische Jugendhilfe Schweicheln bietet daneben unter anderem auch die integrative BaE an. Dabei werden die Jugendlichen in den eigenen Werkstätten als Gärtnerinnen, Metallbauerinnen, Tischler, Hauswirtschafter und Malerinnen ausgebildet. Darüber hinaus vermittelt die Evangelische Jugendhilfe Schweicheln auch Plätze im Rahmen des Ausbildungsprogramms NRW. Die Jugendlichen schließen dann einen Vertrag mit einem Betrieb ab, der diesen Ausbildungsplatz jedoch zusätzlich anbietet und dafür eine monatliche Förderung von 300 Euro vom Land erhält. Die Azubis bekommen von der Jugendhilfe Förderunterricht sowie Unterstützung durch einen Jobcoach.

Im Zuge der Corona-Krise und der schrumpfenden Wirtschaft rechnen die Träger damit, dass ihre Hilfen zur beruflichen Integration von Jugendlichen stärker nachgefragt werden. Die Jugendhilfe Schweicheln hat von den Akteuren auf dem Arbeitsmarkt bereits Signale erhalten, dass die Zahl der Ausbildungsplätze im Kreis Herford sinken wird. Die berufsintegrierenden Programme seien allerdings so angelegt, dass in Zusammenarbeit mit den Auftraggebern bis zu 30 Prozent mehr Plätze angeboten werden können, erklärt Klöpper. "Wir sind so aufgestellt, dass wir das umsetzen können."

Auch Annette Jeschak rechnet damit, dass in diesem Jahr Jugendliche mit schwieriger Biographie noch mehr Probleme haben werden, eine Ausbildung zu finden. Im Juni sind schon deutlich mehr Bewerbungen von Jugendlichen auf dem Tisch der Geschäftsführerin gelandet als in vorangegangenen Jahren. "Es ist in diesem Jahr wirklich besonders wichtig, dass jungen Menschen Perspektiven geboten werden", betont sie.

Janina ist ein Beispiel dafür, wie das gelingen kann. Die junge Frau hat dank ihrer außerbetrieblichen Ausbildung gute Zukunftsaussichten. Der Kooperationsbetrieb hat ihr bereits eine feste Stelle in einer Filiale zugesagt. Jetzt muss die junge Frau nur noch ihre Gesellenprüfung bestehen. Sie ist zuversichtlich: "Ich glaube, dass ich das schaffen werde. Ich bekomme wirklich gute Unterstützung."

Text: Claudia Rometsch (www.diakonie-rwl.de)