Diakonie Mark-Ruhr
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Wohnungslosenhilfe begleitet Frauen: Mit Kraft und Unterstützung zurück ins Leben


Hagen. „Am liebsten wäre ich sofort rückwärts wieder rausgelaufen. Aber dann habe ich aus dem Warteraum das Lachen gehört“. Der Gang in eine Beratungsstelle ist für viele Betroffene nicht einfach, vor allem, wenn es das erste Mal ist. Vor allem, wenn man noch gar nicht glauben kann, in welcher Situation man sich befindet. Für die anonym bleibende Besucherin der Beratungsstelle für Wohnungslose in der Hagener Schulstraße war dies kein leichter Schritt. Denn wer glaubt einmal von sich, wohnungslos zu werden?

„Es ist einfach alles leer und man weiß nicht weiter“ beschreibt die Besucherin ihre damalige Situation. Die heute 55-Jährige floh vor häuslicher Gewalt, Demütigung und Isolation gemeinsam mit ihrem Sohn in die Wohnungslosigkeit. 23 Jahre hat sie das Leben in der Ehe mit ihrem zu Wutausbrüchen neigenden Mann ausgehalten und ist für ihre Kinder stark geblieben. Doch vor etwa zwei Jahren, als die Kinder inzwischen erwachsen waren, verließ sie ihren Mann. Flüchtete zunächst zu einer Bekannten, dann zu ihrer Schwester. 

„In diesem Moment ist man nichts wert, man fühlt sich einfach nur als Last. Auch für die Familie“, erinnert sich die Besucherin unter Tränen. Während sie bei ihrer Schwester im Wohnzimmer schlief, kam ihr Sohn bei ihrem Bruder unter. Ihr Ziel, so schnell wie möglich wieder in eine eigene Wohnung einziehen.

Doch um Sozialleistungen zur Finanzierung des Lebensunterhaltes und einer Wohnung erhalten zu können, wird ein offizielles Postfach benötigt. „Das hatte ich damals nicht und auch bei meiner Schwester wäre ein dauerhafter Aufenthalt mit Meldeadresse nicht möglich gewesen“, erklärt sie. Wohl oder übel musste sie sich an die Beratungsstelle für Wohnungslose wenden. 

„Für manche Betroffene ist der Moment, wenn sie zum ersten Mal in die Beratungsstelle kommen, ein Augenblick des Bewusstwerdens. Häufig wird ihnen erst dann klar: Ich bin wohnungslos“, beschreibt Einrichtungsleitung Christine Wienstroth, diese Situation. Die Beratungsstelle für Wohnungslose der Diakonie Mark-Ruhr betreute im vergangenen Jahr in Hagen 861 Menschen in Wohnungsnot, davon 222 Frauen. Neben Beratung und persönlicher Unterstützung bietet die Beratungsstelle wohnungslosen Personen die Möglichkeit eines Postfaches, um insbesondere für Behörden erreichbar zu sein. Viele Wohnungslose sind auf dieses Angebot angewiesen und finden so den Weg in die Einrichtung. Ob dann auch kontinuierlich Beratung in Anspruch genommen wird, bleibt jedem Besucher und jeder Besucherin selbst überlassen. 

„Ohne die Beratungsstelle hätte ich das alles nicht geschafft. Irgendwann ist die Kraft aufgebraucht und man beginnt, sich selbst zu vergessen. Ich bin Frau Wienstroth und allen anderen Mitarbeitenden in der Beratungsstelle sehr dankbar“, sagt die Besucherin aufrichtig. Heute ist die 55-Jährige zwar nicht mehr wohnungslos, alle ihre Probleme haben sich dadurch aber noch nicht gelöst. Sie ist gesundheitlich stark eingeschränkt, hat Depressionen, Schulden aus Zeiten der Ehe und nur eingeschränkt finanzielle Mittel zur Verfügung. Zudem steht ihr wieder ein Umzug bevor, da das Jobcenter die Miete für ihre Wohnung nach dem Auszug ihres Sohnes bald nicht mehr vollständig bezahlen wird. Um ihre schwierige Lebenssituation positiv verändern zu können, nimmt sie das ebenfalls von der Diakonie Mark-Ruhr angebotene Ambulant Betreute Wohnen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten in Anspruch. 
„Das wichtigste ist der Kaffee, dann hat man wenigstens was Warmes“, erklärt die „Überlebenskünstlerin“, die sogar manchmal auf Mahlzeiten verzichtet, um ihre Wohnung halten zu können.

In den vergangenen zwei Jahren hat die 55-Jährige regelmäßig, mehrmals die Woche, die Wohnungslosenhilfe in der Schulstraße zur Beratung aufgesucht und als eine der ersten Frauen am monatlichen Freizeitangebot „Klöntreff“ teilgenommen. Sie wird dort respektiert und geschätzt. „Als die Besucherin das erste Mal zu mir in die Beratungsstelle kam, hat sie kaum ein Wort gesagt und war völlig in sich zurückgezogen. Heute traut sie sich sogar ein Interview für die Zeitung zu und erzählt darin von den Ursachen für ihre Wohnungslosigkeit und über ihre Lebenssituation“, lobt Christine Wienstroth ihre Klientin. Diese will mit Unterstützung des Teams der Wohnungslosenhilfe Hagen ihren Weg in ein eigenständig geführtes und sorgenfreieres Leben gehen.