Diakonie Mark-Ruhr
Diakonie

Wohnungslosen in der Nacht ein Dach über dem Kopf bieten


Immer mal wieder und das über viele Jahre hat Hans-Gerd E. auf der Straße gelebt – bei Tag und bei Nacht. „Ich danke der Diakonie, dass ich auch durch ihre Hilfe nun wieder ein Zimmer habe und mein Leben zusehends an Struktur gewinnt“, zeigt sich Hans-Gerd E. dankbar.

„Nicht nur in den kalten Monaten ist der Verlust der Wohnung die extremste Form der Armut“, sagt Heidrun Schulz-Rabenschlag, Fachbereichsleitung der Sozialen Dienste der Diakonie Mark-Ruhr. „Das Leben auf der Straße setzt die Betroffenen neben allen gesundheitlichen Risiken auch dem schonungslosen Blick der Öffentlichkeit und in einigen Fällen auch der schonungslosen Übergriffe von Gewalttätern aus.“Das gilt am Tag, aber natürlich insbesondere auch in der Nacht, wo die Gefahren noch um einiges höher sind. Die Diakonie nimmt sich der Sorgen und Nöte wohnungsloser Menschen an und versucht mit vereinten Kräften dafür zu sorgen, dass jeder Mensch ein Dach über dem Kopf hat.

„Wir haben unsere Beratungsstelle für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen zwar nicht in der Nacht geöffnet, da wir selbst keine Notschlafplätze anbieten, kümmern uns aber um Hilfen für die Nacht“, so Christine Wienstroth, die die Wohnungslosenhilfe in Hagen leitet. „Bei uns ist es Standard, alle Menschen, die zu uns kommen und Hilfe suchen, nach ihrem aktuellen Aufenthalt und ihren Schlafmöglichkeiten zu fragen. Wir hören heraus, ob jemand noch bei Freunden und Bekannten, in Opas Gartenlaube oder tatsächlich ohne Unterkunft auf der Straße schläft. An diesen Informationen können wir ansetzen und Hilfe-Angebote unterbreiten, begleiten und Schlafplätze vermitteln.“ In Hagen könnte das zum Beispiel eine Notunterkunft im städtischen Männerasyl sein. „Wir zeigen die Wege auf, um eine gesicherte Übernachtungsmöglichkeit zu bekommen. Und natürlich vergewissern wir uns, ob der Schlafplatz dann auch tatsächlich angenommen wurde. Wir erkundigen uns direkt am Morgen, wie die Nacht verlief.“

Christine Wienstroth: „Wir halten immer Augen und Ohren offen und sind gut in der Stadt vernetzt. Wenn wir erfahren, dass jemand aus unserem Klientenkreis nachts dann doch auf der Straße schläft, suchen wir die betreffende Person auch auf oder informieren die Zentrale Fachstelle für Wohnraumsicherung und Wohnraumversorgung der Stadt bzw. das Ordnungsamt, um mit dem Menschen zu sprechen und ihm zu helfen.“ Wichtig sei es, die Situation zu bewerten und zu überlegen, wer, also welche Einrichtung/Behörde Kontakt aufnimmt, damit die Hilfe auch angenommen wird. „Viele möchten nicht in Gemeinschaftsunterkünfte, scheuen diese, oft auch weil man hier auf Menschen mit Alkohol- und Drogenproblemen trifft“, erklärt Christine Wienstroth. So wie bei Hans-Gerd E., 57 Jahre und in der Vergangenheit nahezu kontinuierlich in schwierigen sozialen Lebensverhältnissen, verbunden mit einem Leben auf der Straße – Tag und Nacht. „Meine Süchte habe ich hinter mir, damit möchte ich nicht mehr konfrontiert werden“, sagt er heute. In eine Sammelunterkunft wolle er deshalb auch nicht gehen. „Da kann ich mir grundsätzlich eher wieder vorstellen, auf der Straße zu schlafen, aber ich glaube nicht, dass ich es heutzutage noch einmal so wie damals schaffen würde. Dafür fehlen mir einfach die Kraft und die Energie. Hinzu kommen meine schweren Erkrankungen und: das Leben auf der Straße ist in vielerlei Hinsicht teuer.“

Im Jahr 2011 hatte Hans-Gerd E. das erste Mal Kontakt zur Hagener Beratungsstelle für Wohnungslose der Diakonie Mark-Ruhr. „Ich brauchte zu diesem Zeitpunkt eine Meldeadresse, so dass mir Post zugestellt werden konnte. Die ARGE (das Jobcenter Anmerkung des Verfassers) hat mich auf die Diakonie aufmerksam gemacht. Ein Glücksfall für mich! Davor habe ich mich immer so durchgeschlagen und über Freunde und Bekannte einen Schlafplatz gefunden. Meistens zumindest, ich habe auch zahlreiche Nächte auf der Straße verbracht.“ Vorausgegangen vor dem Erstkontakt zur Wohnungslosenhilfe war eine Inhaftierung, „als ich aus der Haft entlassen wurde, wollte ich nicht in meinen alten Ort zurück, aber den Kontakt zu meinen Eltern, die in der Nähe Hagens lebten, halten und deshalb ein Zuhause in Hagen suchen.“ So ganz geklappt hat das nicht.

„Ich habe dann zwar eine eigene Wohnung gefunden, durch eine erneute Inhaftierung und mein dramatisches Krankheitsbild habe ich die aber schnell wieder verloren. Zwischenzeitlich habe ich meinen Kopf in den Sand gesteckt, mich verschlossen und zurückgezogen. Ich wusste nicht mehr weiter und wollte keinem zur Last fallen. Aber Bekannte und vor allem die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr haben dazu beigetragen, dass mir geholfen wurde und ich wieder klar denken konnte.“ Die Wohnungslosenhilfe hat auch als Wegweiser im Hilfesystem fungiert, ich konnte mein Leben wieder regeln und in einigermaßen geordnete Bahnen lenken und das ging für mich nur durch Selbsteinsicht und dadurch, alles als Lernprozess zu verstehen und zu verinnerlichen.“

Davor hat Hans-Gerd E. bewegte Jahre hinter sich gebracht. „Ich bin durch die Stadt gelaufen, habe mich in Parks auf Bänke gesetzt und geschlafen. Aber an richtigen Schlaf war nicht zu denken, ich musste immer aufpassen, dass mir nichts passiert. Ich habe mich immer versteckt gelegt, so dass man mich nicht finden konnte und mir in der Nacht wie durch ein Wunder nie etwas passiert ist. Ich war immer sehr wachsam und habe auf die kleinsten Geräusche gehört und reagiert.“

Das Leben auf der Straße ist kein freigewähltes Leben, es ist ein Überlebenskampf und eine Frage des Organisierens. Gerade in der Nacht mangelt es an Sicherheit. Und dabei hat Hans-Gerd E. noch gar nicht von den Gefahren der Kälte berichtet. „Ein kleines Gartenhäuschen, das offen war oder ein Schlafplatz, an dem man ein kleines Feuer machen konnte, waren gerade in Winternächten überlebensnotwendig. Ansonsten habe ich immer versucht, bei Bekannten unterzukommen.“ Um es klar zu sagen: das Leben auf der Straße zehrt an der Gesundheit, die Lebenserwartung sinkt signifikant. „Eben auf diese Gefahrenlage in der Nacht weisen wir unsere Klienten mit Nachdruck hin, wir sind da sehr beharrlich ohne jemanden zu vergraulen. Die persönliche Ansprache ist entscheidend. Wir können nur helfen, wenn sich das Gegenüber auf uns bzw. unsere Hilfe einlässt. Der stete Tropfen höhlt den Stein, Hilfe geht über Beziehung und Zugang“, unterstreicht Christine Wienstroth. „Das Leben auf der Straße setzte andere Prioritäten, das Gesundheitsbewusstsein der wohnungslosen Menschen ist da eher nachrangig.“

Hans-Gerd E. wirkt wieder „aufgeräumt“, seit Juni 2018 lebt er in einem eigenen Zimmer. „Das kann ich halten und wenn sich meine Situation stabilisiert hat, möchte ich irgendwann auch wieder eine eigene Wohnung haben.“ Auf diesem Weg begleitet und unterstützt ihn das Team der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr. Ein Angebot, dass selbst auf Unterstützung angewiesen ist!

„Spenden sind relevant, um unsere Arbeit zu unterstützen und aufrecht zu erhalten. Diakonie und Kirche müssen ein hohes Maß an Eigenmitteln aufbringen, um Angebote wie die Wohnungslosenhilfe möglich zu machen. Ehrenamtliche unterstützen bei Begleitgängen zu Ämtern und Behörden oder aber bei niedrigschwelligen Freizeitangeboten. Letztlich hilft es uns ungemein, wenn sich Vermieter bei uns melden, die Wohnraum auch an unsere Klientel vermieten möchten. Die aktuell angespannte Wohnungsmarktlage, mit ihren Auswirkungen von zu geringem Wohnraum für sozial benachteiligte Personen kommt bei den vielfältigen Problemlagen der Hilfesuchenden in unserer Einrichtung erschwerend hinzu“, bedauert Christine Wienstroth.

Die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr bietet an den Standorten Hagen, Hattingen, Iserlohn, Schwelm und Witten:

• Hilfe zur Sicherung der Existenzgrundlage
• Hilfe zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen
• Soforthilfen wie die Vermittlung von Notunterkünften
• Postanschrift, um erreichbar zu sein
• Hilfe zur Beschaffung und zum Erhalt von geeignetem Wohnraum
• Hilfe zur Arbeitsaufnahme und zum Arbeitserhalt
• Vermittlung an andere Angebote der Wohnungslosenhilfe und an andere soziale Dienste