Diakonie Mark-Ruhr
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Pflegetelefon der Diakonie Mark-Ruhr: Rat im Dschungel der Pflege


Hagen. Wenn Eltern pflegebedürftig werden, wissen Angehörige oft nicht, wie es weitergehen soll. In Hagen gibt es für solche Fälle das Pflegetelefon. Schon seit zwanzig Jahren erhalten Anrufer kostenlos Rat und Hilfe. Jeden Morgen informiert Sozialarbeiterin Andrea Henneken sie darüber, was Pflegebedürftigen zusteht. „Die Pflegereform hat die häusliche Pflege deutlich gestärkt“, sagt sie im Interview.

Welche Fragen und Anliegen haben die Menschen, wenn Sie bei Ihnen anrufen?Sehr häufig melden sich Anrufer bei mir, die nicht wissen, wie es mit den Angehörigen, die alleine leben, weitergehen soll. Demenz ist ein großes Thema bei uns am Telefon. Viele machen sich Sorgen, wenn Mutter oder Vater immer häufiger etwas vergessen oder alleine nicht mehr klarkommen und fragen nach Unterstützung. Oft dreht es sich dabei auch um das Thema Geld und welche Pflegeleistungen man beantragen kann. Manchmal sind es zwanzig Anrufe an einem Tag, manchmal weniger.
Welchen Rat geben Sie Anrufern, deren Angehörige nur leicht pflegebedürftig sind?Unsere Diakoniestationen bieten auch niedrigschwellige Leistungen an. Mit der neuen Pflegereform gibt es in der ambulanten Pflege die Möglichkeit, Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe von 125 Euro zu beantragen. Das gilt für alle Pflegegrade. Über anerkannte Dienstleister kann man Betreuungs-, aber auch Putzleistungen oder Hilfe beim Einkaufen bekommen. Oder es geht mal jemand mit einem spazieren. Solche Angebote sind für die Patienten und ihre Angehörigen oft eine große Hilfe. Und über eine Haushaltshilfe gewöhnen sich ältere Menschen auch daran, dass jemand ins Haus kommt und sie unterstützt. Dann ist es später leichter, wenn mehr Pflege nötig ist.
Wer dement ist, kann schlecht alleine leben. Wie beraten Sie in solchen Fällen die Angehörigen?Bei einer beginnenden Demenz kann man aus meiner Sicht durchaus noch einige Zeit in der eigenen Wohnung leben. Da mache ich den Angehörigen Mut. Ich rate den Patienten immer, ein Netzwerk aufzubauen und Kontakte zu den Nachbarn zu pflegen. Es hilft, wenn die Bescheid wissen und zum Beispiel für den Notfall den Schlüssel haben. Notfalls muss der Herd abgeklemmt werden. Da rate ich sehr pragmatisch zu sein. Aber natürlich muss man sich kümmern, wenn es alleine gar nicht mehr klappt.
Zu Beginn dieses Jahres ist eine neue Pflegereform in Kraft getreten. Welche Bilanz ziehen Sie? Die Pflegereform bedeutet für viele ambulant betreute Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mehr Geld und mehr Leistungen. Wer zum Beispiel in der Pflegestufe 1 im vergangenen Jahr 244 Euro erhielt, ist jetzt in Pflegegrad 2 eingestuft und erhält 316 Euro. Demenzkranke, die 2016 in Pflegestufe 1 waren und 316 Euro erhielten, sind jetzt in Pflegegrad 3 und bekommen 545 Euro Pflegegeld. Dies gilt allerdings nur für die, die bereits Pflegeleistungen im vergangenen Jahr erhalten haben. Sie haben einen Bestandschutz. Bei Neuanträgen sieht das anders aus. Sie profitieren nicht von diesen erhöhten Leistungen. Bekommt ein Pflegebedürftiger zum Beispiel einen Schlaganfall, sind Höhergruppierungen deutlich schwieriger geworden. 
Die Heime gelten als Stiefkind der Reform. Innerhalb einer Einrichtung hat jetzt jeder Bewohner denselben Eigenanteil. Das war vorher anders. Bewohnern mit einer niedrigen Pflegestufe wurde deutlich weniger Eigenanteil berechnet als stark pflegebedürftigen Menschen.Der Eigenanteil für Heimbewohner ist mit der Reform vereinheitlicht worden. Bewohner mit einem geringen Pflegeanteil hatten bisher einen finanziellen Vorteil. Der fällt jetzt weg. Die Mehrkosten übernimmt allerdings die Pflegekasse. Denn Menschen, die schon seit vergangenem Jahr im Heim wohnen, haben einen Bestandschutz. In einer Stadt wie Hagen, in der viele Menschen wenig Geld haben, ist der Eigenanteil oft ein Problem. Wenn Angehörige die Kosten für den Pflegeheimplatz nicht bezahlen können, dann verweise ich an die Kommune. Dort müssen dann die entsprechenden Anträge zur Finanzierung gestellt werden. Tatsache ist aber auch, dass hier im Ruhrgebiet viele Kommunen  keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung haben. Armut in der Pflege wird in Zukunft auf jeden Fall ein Thema sein. Auch weil die Renten sinken.
Viele Angehörige haben ja auch Sorge, die eigenen Eltern ins Pflegeheim zu geben. Was raten Sie da?Pflegeheime werden meiner Meinung nach zu Unrecht oft schlecht geredet. Wir haben 14 stationäre Einrichtungen, und ich finde die klasse. Bei meinen Hausbesuchen, die ich auf Wunsch von Pflegebedürftigen und unseren Diakoniestationen regelmäßig mache, treffe ich ja auch die alten Leute, die in einem viel zu großen Haus leben. Sie geben viel Geld für den Gärtner oder die Putzfrau aus und stellen die Heizung nicht mehr an, um zu sparen. Da kann es manchmal schöner sein, im Heim versorgt zu sein und nachmittags durch verschiedene Angebote Ansprache zu haben. Ich rate hier immer, frühzeitig eine Entscheidung für sich selber zu treffen. Aber klar ist, jeder ist sein eigener Chef. 
Das Gespräch führte Sabine Portmann von der Diakonie RWL.